Der Empfang Hitlers für führende Vertreter der evangelischen Kirche Anfang 1934 gilt als Wendepunkt in der Geschichte des Kirchenkampfs. Bisherige Beschreibungen des etwa 1¼-stündigen Treffens stützen sich auf teilweise widersprüchliche Mitteilungen und nicht immer verlässliche Quellen. Mit der vorliegenden Studie wird erstmals versucht, das Treffen allein aufgrund der Berichte von Teilnehmern mit einer gleichsam richterlichen Beweiswürdigung zu rekonstruieren. Dabei ergibt sich ein erstaunlich klares Bild. Es zeigt deutlicher als zuvor, weshalb der Versuch der Bekenntnistreuen, den Reichsbischof zu stürzen, den „Deutschen Christen“ Paroli zu bieten und eine Reform der Kirchenverfassung einzuleiten, scheiterte: an List, Lüge und Gewalt des Gegners, aber auch an eigenem Versagen. Und es zeigt zudem, dass und warum dies ein Wendepunkt war, eine Wendung von der vielfach gleichgeschalteten Organisation des traditionellen Kirchenregiments hin zu den freien Formen der Synoden und Bruderräte, einer Selbstorganisation, in der die Bekennende Kirche entstand.
Der Autor ist der Sohn des bekannten Widerstands-Theologen Martin Niemöller
mit zeitgenössischen Bildern
Die Faktenlage wird wie in einem juristischen Prozess aufgearbeitet
Martin Niemöller jr., geboren 1935 in Berlin-Dahlem, Sohn des Pastors und hessischen Kirchenpräsidenten gleichen Namens, ist in Wiesbaden aufgewachsen. Er war sechs Jahre lang wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bundesverfassungsgericht und von 1980 bis 2000 am Bundesgerichtshof. Nach seiner Pensionierung veröffentlichte er eine Reihe von verfassungs- und strafprozessrechtlichen Arbeiten; daneben war er zeitweise Gastdozent an der Deutschen Rechtsschule in Warschau. Er lebt in Ettlingen/Baden.